
Knapp 16 Monate nach dem Baubeginn für den neuen S-Bahn-Haltepunkt und fast 40 Jahre, nachdem am 29. Mai 1983 der Personenverkehr in Herten und Westerholt eingestellt worden war, hat am Sonntagmorgen (11.12.) wieder ein Zug in Herten-Mitte Station gemacht. Lokführer Mike Kihm, der selbst in Herten wohnt, legte um 6.04 Uhr am Recklinghäuser Hauptbahnhof den Hebel um und erreichte mit der S9 pünktlich um 6.10 Uhr das Gleis 2 in „Herten (Westfalen)“ – so die offizielle Bezeichnung in Abgrenzung zum Bahnhof Herten im badischen Rheinfelden.
Rampe zum Gleis führt noch durch eine Baustelle
Ein Dutzend Menschen wollte sich diesen besonderen Moment bei frostigen 1 Grad minus nicht entgehen lassen. Manch einer musste aber erst einmal schauen, wie man zum Bahnsteig gelangt – und ob überhaupt. Doch da gab es schon die erste positive Überraschung: Was am Samstagmittag noch nicht als sicher galt, war in der Nacht zum Sonntag dann doch gelungen: Die Rampe, die von der Staakener Straße hinab zum Bahnsteig führt, ist zumindest so weit fertiggestellt, dass Fußgänger sie sicher nutzen können.
Allerdings: Einige Meter wurden nicht mehr gepflastert, sondern mit Schotter aufgefüllt. Ein großer Teil der Geländer fehlt, an anderen Stahl-Elementen klemmen noch Schraubzwingen. Links und rechts der Rampe lagern Baustoffe und Maschinen – da ist noch eine Menge zu tun.
Doch genug der kritischen Schilderungen. Drei schöne Überraschungen warteten auf Lokführer Mike Kihm, nachdem er mit einer fröhlichen, lautstarken Klangfolge aus der „Hupe“ des Zuges unter der Eisenbahnbrücke Feldstraße hindurchgefahren war. Er wurde von gespannt wartenden Menschen mit strahlenden Gesichtern und gezückten Handys erwartet – und sie alle stiegen dann auch tatsächlich zur „Probefahrt“ ein.

Die zweite Überraschung: Stefan Frische (42), der Bruder von Mike Kihm und ebenfalls Lokführer, war trotz der eisigen Temperaturen mit dem Fahrrad von Gelsenkirchen nach Herten gefahren. Der Stolz war ihm anzumerken: „Eigentlich habe ich Urlaub, aber ich habe mir zehn Schichten Kleidung angezogen und bin in aller Herrgottsfrühe hierhergekommen, denn das ist ein ganz besonderer Tag. Herten hat nach 40 Jahren wieder einen Bahnsteig und dann fährt auch noch mein Bruder – das muss ich natürlich miterleben.“ Bis nach Essen fuhr Stefan Frische mit, um dann von dort wieder nach Gelsenkirchen zu radeln.

Und noch eine dritte Überraschung gab es: Mike Kihm schaute gerade durch die Tür des Triebwagens, als Franz-Josef Hauke angelaufen kam ihm ein Schnäpschen für den Feierabend sowie das Buch „Linie 9“ überreichte. Der 64-jährige Straßenbahn-Fan und Hobby-Historiker hat es selbst geschrieben. Ein Begrüßungsgeschenk? Mike Kihm guckte zunächst überrascht. Doch Franz-Josef Hauke erklärte: „Es ist kein Buch über die S9, sondern über die Straßenbahnlinie 9 – als Zeichen für den öffentlichen Nahverkehr in Herten.“
Lokführer Mike Kihm: „Es ist eine Ehre für mich!“
Und was sagte der Lokführer zu diesem historischen Moment? „Ich war ein bisschen aufgeregt, habe mich aber gefreut, dass ich diesen Dienst bekommen habe. Es ist eine Ehre für mich!“ Die Fahrt nach Herten sei reibungslos verlaufen: „Auf der Strecke war nichts los, alle Signale waren auf Grün gestellt – so muss das sein.“
Dann schloss er die Türen, der Zug setzte sich in Bewegung und 80 Sekunden nach der Ankunft verschwanden die roten Rücklichter auch schon wieder in der Dunkelheit.