
Christin Rattay ist sich etwas unsicher: „Wo geht’s denn hier rein?“ Ihr Wahllokal an der Ev. Friedenskirche in Disteln kennt sie noch nicht, deswegen schaut sie sich dessen Lage vorher schon mal an. Und siehe da: Nach kurzer Suche steht fest – seine Stimme abgeben kann man heute nicht etwa in dem kleinen Vorbau an der Kirche, sondern einen Steinwurf entfernt an der Kaiserstraße 175, wo im Gemeindehaus das Wahllokal des Bezirks 15.0 in einer alten Bergbauvilla angesiedelt ist.
Noch eben ein paar Treppenstufen vor dem Eingang erklommen, dann ist ihre erste Hürde geschafft. Aber Christin ist nicht etwa für ihre Stimmabgabe vor Ort, das erledigt sie an der Goetheschule. Stattdessen wird sie an der Friedenskirche ab 8 Uhr als Wahlhelferin eingesetzt. „Ich habe mich freiwillig gemeldet“, sagt sie.

Wahlhelferin aus Überzeugung
Ein solches Engagement ist heutzutage eher die Ausnahme als die Regel. Denn Menschen, die bei einer Wahl helfen wollen – und daher einen ganzen Sonntag an Freizeit sausen lassen – findet man auch in unserer Stadt immer seltener. Weil Freiwillige fehlen, müssen daher oft Beamte aus Stadtverwaltung oder anderen Institutionen zum Einsatz verpflichtet werden.
Christin ist dagegen von sich aus hoch motiviert – und als 20-Jährige eine der jüngsten Wahlhelferinnen in Herten. „Ich kenne jedenfalls keinen Altersgenossen, der sich auch dafür gemeldet hat“, sagt die Hertenerin etwas bedauernd. „Ich fände es nicht so schlecht, wenn einmal Wahlhelfer verpflichtend für jeden wäre. Denn es ist wichtig, die Demokratie in unserem Land mit zu unterstützen.“ Daher ist die Bundestagswahl schon der dritte Anlass in ihrem noch kurzen Erwachsenen-Leben, bei dem Christin als Wahlhelferin fungiert.

Schon bei Kommunal- und Europawahl im Einsatz
„Auch die Kommunalwahl im letzten Jahr sowie die Europawahl 2019 habe ich schon begleitet“, erklärt sie – und freut sich gleichzeitig besonders auf ihren aktuellen Einsatz. Denn diesmal werde es wohl bis in den Abend hinein „richtig spannend“ zwischen den Parteien und Bewerbern werden, glaubt Christin.
Wegen der zu erwartenden knappen Entscheidungen soll natürlich auch in ihrem Wahllokal nichts schiefgehen. Zunächst muss die 20-Jährige mit ihren Kolleginnen und Kollegen die Stimmabgabe genauestens überwachen, nach der Schließung aller Wahllokale in Deutschland geht es dann ab Punkt 18 Uhr ans Auszählen. Ein langer Tag, den Christin aber gerne in Kauf nimmt: „Mir macht das einfach Spaß.“
Schriftführerin bei der Hertener SPD
Eine Prognose über den Ausgang der Bundestagswahl möchte sie jedoch nicht abgeben. Und auch bei der Frage, wem sie denn letztlich ihre Stimme gibt, hält sie sich bedeckt – so wie es dem vorübergehenden Amt als Wahlhelferin auch gebührt. Zwar ist sie bei der Hertener SPD gerade zur Schriftführerin gewählt worden – „aber das muss ja an der Wahlurne nichts heißen“, meint Christin nur augenzwinkernd.
Sie ist auch neben ihrem heutigen Kurzzeit-Job gesellschaftlich sehr engagiert. So ist sie langjähriges Mitglied im Jugendforum im Hertener „Haus der Kulturen“. Außerdem setzt sie sich beruflich für soziale Belange ein: „Zurzeit absolviere ich ein Freiwilliges Soziales Jahr an der Behindertenwerkstatt in Bertlich.“
Und danach? Folgt dann für sie auch der Weg in die Berufspolitik, vielleicht sogar auf Bundesebene? „Auf keinen Fall“, widerspricht Christin entschieden. „Das ist so unsicher. Man bekommt ein Mandat für vier Jahre. Aber was passiert in der nächsten Legislaturperiode? Daher möchte lieber ich den Weg zum Heilerziehungspfleger einschlagen.“ Die junge Frau weiß eben ganz genau, was sie will. Am Sonntag vor allem erstmal eines: rein ins Wahllokal.