Lumpensammler in Marl Historiker Matthias Pothmann lüftet das Geheimnis der Silvertstraße

Historiker Matthias Pothmann stellt das nächste Legendenschild der Marler Bürgerstiftung vor.
Historiker Matthias Pothmann stellt das nächste Legendenschild der Marler Bürgerstiftung vor. © Privat
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Mit neuen Schildern startet die Marler Bürgerstiftung in das fünfte Jahr des Projekts „Straßengeschichten“. Dabei weisen Zusatzschilder auf die Herkunft von Straßennamen hin. Diesmal geht es um die knapp 500 Meter lange Silvertstraße im Hülser Norden. Die Strecke verbindet die Carl-Duisberg- mit der Hermannstraße.

Straße und Siedlung

Silvert ist nicht nur der Name der Straße, sondern auch der Siedlung um sie herum. Die Geschichte des Namens ist eng verbunden mit der Tradition des fahrenden Volkes der Lumpensammler. Für die Hintergründe tauchte der Marler Historiker Matthias Pothmann tief in die Stadtgeschichte ein. „Bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts ist eine Hofstelle mit dem Namen Silfort belegt“, erfuhr Pothmann. Der Name könne aufgeschlüsselt werden in „Sil“, was kleiner Bachlauf bedeutet, und „Fort/Furt“, was Übergang bedeutet. „Die Hoflage an einer seichten Stelle am Silvertbach ist die Namenserklärung“, erklärt Matthias Pothmann.

Silvert bezog sich nicht nur auf Flur und Felder. Der Name übertrug sich auch auf eine Papiermühle in der Nähe. Die Mühle nutzte den aufgestauten Bach, damit man dort Papierfasern pressen konnte – in harter Knochenarbeit. Matthias Pothmann: „In alten Dokumenten ist nachzulesen, dass eine Familie Rive die Mühle betrieb. 1845 soll sie ein vornehmes Fachwerkhaus mit Walmdach als Verwaltungsstelle gebaut haben.“ In Hamm wurde es etwa 50 Jahre später abgebaut und in Lembeck von einem Bauern wiederaufgebaut. „Zu diesem Zeitpunkt war die Mühle schon geschlossen und das Land verwahrlost,“ sagt der Historiker.

Das Verwaltungsgebäude der alten Papiermühle an der Silvertstraße in Marl.
Das Verwaltungsgebäude der alten Papiermühle. © Marler Bürgerstiftung

Sammler verkaufen Stoff

Im näheren Umfeld war die Mühle die einzig bekannte ihrer Art. Auf der Suche nach Kleidungsstücken und Stofffetzen zog das fahrende Volk der Lumpensammler durch Marl und Nachbargemeinden. Stoffreste verkauften die Lumpensammler an die Mühlenbetreiber. Wie kam es zu diesem Geschäftsmodell?

Die Erklärung liefert Matthias Pothmann: „Weil Lumpen bis zum Einsatz moderner Chemiemittel die Hauptbasis für die Papierherstellung in Mitteleuropa waren. Mit dem industriellen Fortschritt verschwand jedoch dieser Wirtschaftszweig.“ Der durch das Schild der Bürgerstiftung erklärte Straßenname ist nach der langen Zeit die letzte sichtbare Spur zur Papiermühle und den Lumpensammlern.

Weitere Schilder erwünscht

Brigitte Kluth, stellv. Vorsitzende der Stiftung, ist sicher: „Das Kapitel Stadtgeschichte, das wir hier an der Silvertstraße vorgestellt haben, dürfte vielen Bewohnern der Siedlung eher unbekannt gewesen sein.“ Darum wäre es schön, mit den Anwohnern andere Straßen weitere Geschichten erzählen zu können. Wer ein Straßenschild finanzieren möchte: Tel. 0157 70371673 oder E-Mail info@marlerbuergerstiftung.de.