Mit dem AusbildungsPaten hat es bei Lisanne Kästner Klick gemacht

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Lisanne Kästner ist durchgestartet und gestaltet ihre Zukunft selbstbewusst - die Zusammenarbeit mit dem AusbildungsPaten Ulrich Mahlfeld hat Fähigkeiten und Durchhaltwillen gestärkt. © Thomas Fiekens
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Es ist gute Sitte in der Stadt, jungen Menschen für besondere schulische, musische oder soziale Leistungen einen großen Bahnhof zu bereiten. Alljährlich kürt der Wirtschaftsclub „Marls Beste“ – hinter jeder und jedem von ihnen steht eine Erfolgsgeschichte. Das trifft auch auf Lisanne Kästner zu.

Aufwärtskurve nach dem Durchhänger

Wer mehr darüber wissen möchte, muss weiterlesen. Bei der Betrachtung ihrer Bildungsbiografie gehört zur Wahrheit: Zwischenzeitlich hat die 18-jährige Marlerin einen krachenden Durchhänger in der Schule produziert, bevor es „Klick“ gemacht hat. Auch – oder besser gerade – wegen Ulrich Mahlfeld.

Der Ingenieur gehört zu den fünf Männern und Frauen in Marl, die unter dem Dach des Vereins „AusbildungPaten Kreis Recklinghausen“ Jugendlichen bei Bildungsabschlüssen und dem Start ins Berufsleben helfen.

Hier liegt der Kern dieser Geschichte. „Fünf aktive Paten sind sehr wenig, wir wären gerne mehr. Es lohnt sich – für alle Beteiligten“, wirbt Isabel Lux um engagierte Menschen. Die AWO-Frau arbeitet in der Jugendberufshilfe und ist seit vielen Jahren als Lokalverantwortliche der AusbildungsPaten in Scharnierfunktion zwischen Paten und Schützlingen tätig. Lux hat auch die Entwicklung der Patenschaft zwischen Lisanne Kästner und Ulrich verfolgt und ist vom Ergebnis begeistert.

Isabel Lux (Jugendberufshilfe, v.l.), Josef Schlierkamp (Vorstandsmitglied AusbildungsPaten Kreis RE), Lisanne Kästner und Ingenieur Ulrich Mahlfeld werben für die Idee – mithilfe u.a. der RAG-Stiftung sind Ausbildungspaten-Projekt auch in Duisburg, Essen und Oberhausen entstanden. © Thomas Fiekens © Thomas Fiekens

Schulmüdigkeit und seltsame Freunde

Die Geschichte geht so: Nach ersten noch unauffälligen Jahren auf der Willy-Brandt-Gesamtschule macht Lisanne ab der 7. Klasse „Abhängen“ zu ihrem inoffiziellen Hauptfach. In dieser Phase der Schulmüdigkeit unterstützen sie Weggefährten, die sich im weiteren Verlauf nicht unbedingt als wahre Freunde entpuppen.

Am Ende steht der Hauptschulabschluss auf der Kippe, die größte Delle: Mathe. „Einer Freundin von mir ging es auch so.“ Lisannes Glück: Eine engagierte Lehrerin vermittelt Kontakte zu AusbildungsPaten, zu Isabel Lux, zu Ulrich Mahlfeld.

Die wichtigsten Regeln sind fix erklärt: Jeder Ausbildungspate wird vorab gecoacht und seine Eignung geprüft, der Verein verlangt ein erweitertes Führungszeugnis. In der Regel dauern Patenschaften drei bis vier Jahre, oft bleiben die Kontakte aber länger lebendig. Die Eltern werden immer mit eingebunden.

Wer kann ausbildungspate werden?

  • Die „AusbildungsPaten im Kreis Recklinghausen“ sind ein eingetragener Verein. Er vermittelt in den zehn Städten des Kreises RE 1:1-Patenschaften zwischen Schülerinnen und Schülern aus Haupt- und Gesamtschulen oder auch Berufskollegs und ehrenamtlich arbeitenden Erwachsenen.
  • Gesucht werden Berufstätige und Ruheständler mit Lebens- und Berufserfahrung, denen gesellschaftliche Entwicklungen nicht egal sind. Als Voraussetzung wichtig: Freude am Kontakt mit jungen Menschen und die Bereitschaft, Zeit zu investieren. Der Umgang mit Handy, E-Mail oder anderen modernen Kommunikationsformen muss geläufig sein – für junge Leute sind Facebook, Whattsapp &Co. Teil ihres Leben- und Lernalltages.
  • AusbildungsPaten haben in den Städten Ansprechpartner vor Ort, es gibt Unterstützung in Form von Fortbildungen und Erfahrungsaustausch mit anderen Paten, gemeinsame Aktivitäten mit den Jugendlichen. Das Projekt ist eingebunden in ein Netzwerk von Fachleuten und Beratungsstellen.
  • Kontakt: AusbildungsPaten im Kreis Recklinghausen e.V.
    Kemnastraße 7, 45657 Recklinghausen
    Telefon: 02361/30 60 576
    E-Mail: info@ausbildungspaten.de
  • Die AusbildungsPaten sind auch immer auf der Suche nach Förderern: Wer nicht selbst als Pate arbeiten kann, ist z.B. als Vereinsmitglied willkommen. Ebenso sind Spenden möglich.
  • IBAN: DE 81 4265 0150 0000 7026 21
    WELADED1REK
    Sparkasse Vest Recklinghausen

Grundvoraussetzung: Die Chemie muss stimmen

Schon beim ersten Treffen ist klar: Zwischen der heute 18-jährigen Ex-schulmüden Frau und dem 73-Jährigen Ingenieur und Mann der Zahlen stimmt die Chemie. Mahlfeld arbeitet mit Geduld und Fachkenntnis Lisannes Mathe-Defizite auf, gibt Berufs- und Lebenserfahrung weiter. Auch mit klaren Worten: „Ich stelle meine Zeit zur Verfügung und erwarte, dass man das respektiert. Wer mich bei Terminabsprachen einmal versetzt, bekommt eine weitere Chance. Beim zweiten Mal ist für mich Schluss.“

Manchmal fehlt nur ein Kick, um die Kurve zu kriegen: Alle Eltern kennen diesen Effekt: Wenn Externe klare Ansagen machen, wirkt das manchmal tausendmal mehr als jedes Wort in der Familie.

Trendumkehr mit Top-Noten in Mathe

Wie auch immer: Ulrich Mahlfeld, der für den VDI (Verein Deutscher Ingenieure) ohnehin oft in Schulprojekten mit jungen Menschen Kontakt hat, schafft gemeinsam mit Lisanne die Trendumkehr im vordem so drögen Fach Mathe. „Ich habe begriffen, dass ich alles ganz für mich allein mache“, glaubt die 18-Jährige plötzlich wieder an ihr Potenzial, schafft Einser- und Zweier-Noten. „Es macht mir Spaß, wenn ich sehe, dass ich etwas erreiche, wenn ich dafür lerne.“

Es folgen: Top-Hauptschulabschluss (siehe „Marls Beste“), Wechsel zum Hans-Böckler-Berufskolleg, der Realschulabschluss mit Qualifikation, die bewusste Entscheidung gegen ein Fach-Abi im Bereich Wirtschaft und Verwaltung – und für eine Ausbildung in der Uni-Verwaltung in Essen. „Ich bin sofort genommen worden, verdiene Geld und der Beruf ist genau das, was ich immer wollte“, sagt Lisanne Kästner. Klingt planvoll, zielgerichtet. „Vor Lisanne hatte ich zwei aktive Betreuungen und einige angebrochene. Bei ihr habe ich gesehen, dass da Interesse und Potenzial ist“, sagt Ulrich Mahlfeld. Klingt ein bisschen stolz.