Hinter den Kulissen des Starlight Express in Bochum „Rollschuhfahren müssen Darsteller erst lernen“

Volontärin
Der Cast des Starlight Express in Bochum am Ende der Show.
Zum großen Finale der Show fliegen die Funken. Die Effekte wurden zum 30-jährigen Bestehen der Show im Jahr 2018 nochmal überarbeitet. © Jens Hauer
Lesezeit

Rasend schnell fahren die Schauspieler im Rennen der Züge am Publikum vorbei. Regelmäßig fahren automatisch Geländer hoch und runter, gewaltige Brücken drehen und kippen. Und das alles während einer Show voll Gesang und Tanz. Für diese Show muss jedes keine Zahnrad ineinandergreifen, sonst heißt es schnell: Abbruch! Wie das funktioniert, erzählen der Chef des Starlight Express Jürgen Marx und PR-Chefin Manuela Wolf.

„Ohne die Darsteller einzurechnen, sind es ungefähr 70 Menschen, die bei jeder Show beteiligt sind. Die sind für die Verpflegung zuständig, für das schnelle Umziehen, die Werkbänke in der Rollschuhabteilung und mehr“, sagt Geschäftsführer Jürgen Marx, der seit April die Leitung des Starlight Express übernommen hat. Es gibt Tages- und Showdienste – das heißt es geht für einige Mitarbeitende schon morgens los, beispielsweise für die Kostümabteilung. Die erste Showdienste beginnen etwa vier Stunden vor der Vorstellungen mit den Vorbereitungen. „Und wenn Proben sind, sind viele schon von morgens an da, auch wenn erst abends eine Vorstellung ist“, ergänzt Manuela Wolf.

Jürgen Marx, Chef des Starlight Express in Bochum.
Jürgen Marx leitet seit April das Starlight Express in Bochum.© Starlight Express/Winkler

Blindes Vertrauen in die Technik

Vier Stunden vor der Show beginnen die Mitarbeiter damit, die komplette Technik der Bühne zu überprüfen. „Darsteller müssen der Technik blind vertrauen können“, sagt Wolf. In voller Fahrt und mit den Renn-Helmen auf sehen die Darsteller nur wenig von den Dingen, die seitlich auf der Bühne passieren. Wenn die Technik nicht funktioniert, könnten gefährliche Situationen entstehen, wegen denen die Show sofort abgebrochen werden müsste.

Die Bühne im Starlight Express Theater in Bochum.
Die Bühne im Starlight Express Theater in Bochum.© Jens Hauer

Damit das nicht passiert, gehen die Techniker alles durch, von den automatisierten Geländern für die Rennen der Show bis zur massiven 30 Tonnen schweren Brücke in der Mitte, die dauerhaft in die Show integriert ist. Sei es als Rampe, Startpunkt, oder schlicht als bewegliche Lichterbank für atmosphärische Beleuchtung.

„Wäre die Show ganz leise, würde man es während der Show die ganze Zeit klacken hören. Das sind die vielen Klappen, die passgenau ineinandergreifen, um die Darsteller nicht zu gefährden“, erklärt Starlight-Chef Marx. Doch gibt es auch während der Show reichlich Action hinter der Bühne.

Zur Sicherheit immer ein Plan B

„Ich empfehle Ihnen, schauen Sie sich die Show an. Und dann schauen Sie sie sich ein zweites mal an und achten mal auf die dunklen Lücken in den Kulissen“, sagt Jürgen Marx wissend. Dort befänden sich während der ganzen Show Bühnenhelfer – ganz in schwarz. Wenn die bemerken, dass etwas während der Show schief geht, müssen sie blitzschnell eingreifen und im schlimmsten Fall auch mal den kompletten fahrenden Tross der Schauspielerinnen und Schauspieler aufhalten.

Zwei der Hauptcharaktere, um die es im Musical geht: Der Erste-Klasse-Wagon Pearl und Rusty die Dampflok.
Zwei der Hauptcharaktere, um die es im Musical geht: Der Erste-Klasse-Wagon Pearl und Rusty die Dampflok.© Jens Hauer

Für solche – eher seltenen – Fälle gebe es immer einen Plan B. So könnten die Darsteller live auf eine andere Spur geleitet werden und zum Beispiel ein Rennen anders zu Ende bringen. Das alles, ohne dass das Publikum etwas merkt. So käme es nur selten vor, dass Zusehende mal wirklich nach Hause geschickt werden müssten. Doch auch das kam schon vor. „Das ist natürlich das Schlimmste, was passieren kann“, sagt Marx. Aber die Sicherheit gehe im Theater immer vor.

In so einem Fall ist beim Starlight Express meist die Technik verantwortlich. Denn Darsteller könnten zwar auch ausfallen oder mal verletzt sein. Doch haben nahezu alle von ihnen nicht nur eine Rolle in petto, sondern gleich mehrere.

Das Multitasking der Darsteller

Es gibt zwar für viele Rollen feste Besetzungen. So spielt zum Beispiel Max Luca Maus den Rusty oder Reva Rice die Mama. Doch gibt es bei Ausfall immer Ersatz. So spielt zum Beispiel Molly McGuire neben ihrer eigentlichen Rolle – Belle – auch bei Bedarf Pearl oder Dinah. Zwei Rollen, die für sich selbst schon sehr viel im Drehbuch stehen haben. Doch ist das Spielen mehrerer Rollen noch nicht alles, was die Darsteller leisten.

Einer der zwei Konkurrenten von Rusty: Elektrozug Electra.
Einer der zwei Konkurrenten von Rusty: Elektrozug Electra.© Jens Hauer

Jedes Mal vor der Show müssen sie ihr Make-Up vollständig selbst machen. Das werde ihnen einmal ganz ausführlich von einem Make-Up-Artist beigebracht. Dann müssen sie selbst ran. Eine Mitarbeiterin beim Starlight Express erklärt die Prozedur: „Irgendwann malt der Make-Up-Artist die eine Hälfte des Gesichtes der Darsteller an. Dann müssen sie die andere Hälfte ergänzen, bis sie es können.“

Und das ist vor allem für die Rolle des Elektra beeindruckend. Circa eine Stunde vor der Show beginnt ein Elektra-Darsteller sein Make-Up. Und das neben dem Einsingen und dem Warm-Up. Bei letzterem fahren die Darstellerinnen und Darsteller des Abends eine halbe Stunde kreuz und quer über die spezielle Bühne.

Caboose, der Bremswagen mit Gehilfswagen von Electra.
Caboose, der Bremswagen mit Gehilfswagen von Electra. Was hecken sie wohl aus?© Jens Hauer

Rollschuhfahren muss man erst lernen

Das Rollschuhfahren – eigentlich das absolute Markenzeichen des Starlight Express – ist dabei etwas, das die wenigsten Darsteller schon bei der Anstellung am Theater können. Denn das wird, anders als das Singen auf sehr hohem Niveau, gar nicht verlangt, sagt die Mitarbeiterin vor Ort. Das Fahrtraining für die Künstler kommt oben drauf.

Im Vordergrund ist Mama. Ebenfalls eine Dampflok. Die Darstellerin von Mama ist mittlerweile 63 Jahre alt und nun schon lange dabei.
Im Vordergrund ist Mama. Ebenfalls eine Dampflok. Die Darstellerin von Mama ist mittlerweile 63 Jahre alt und nun schon lange dabei.© Jens Hauer

Drei Monate lang wird das Rollschuhfahren auf dem Spezialparkour geübt. Auf speziellen für die einzelnen Darsteller angepassten Rollschuhen. Diese behalten die Darsteller vom Einfahren bis zum individuellen Ende, ob nach einer oder mehreren Saisons. Zumindest wenn nichts kaputt geht.

Und wenn mal etwas kaputt geht, schreitet erst einmal die extra Abteilung für die Rollschuhe ein – die „Sk8s“. Die reparieren alle Schäden – sogar während der Vorführung. „Wenn irgendetwas ist, können Darsteller jederzeit eine Art Boxenstopp hinter den Kulissen machen“, erzählt Manuela Wolf.

Darsteller sind international

Wenn es dann schnell gehen muss, wie zum Beispiel bei der Reparatur während der Stücke, ist Kommunikation wichtig. Doch wenn man genau hinhört, merkt man selbst am Gesang, dass gar nicht alle der Schauspielerinnen und Schauspieler deutsch als Muttersprache sprechen. Als Zuhörerin oder Zuhörer auf den Plätzen merkt man das nur manchmal, denn die ausgebildeten Sängerinnen und Sänger lernen neben Rollschuhfahren, Schminken und Zweitrollen auch noch Deutsch.

Die Darstellerinnen und Darsteller des Starlight Express singen und tanzen, während sie auf Rollschuhen fahren.
Die Darstellerinnen und Darsteller des Starlight Express singen und tanzen, während sie auf Rollschuhen fahren.© Jens HauerBestPicture.de

Das ist Pflichtprogramm vom Theater, denn das Starlight Express ist mittlerweile unter Darstellenden international begehrt. Die wenigsten von ihnen kommen aus Deutschland, entscheiden sich aber hier in Bochum zu spielen, da es das Musical nur in Bochum gibt. „Starlight Express ist Bochum und Bochum ist Starlight Express“, sagen Jürgen Marx und Manuela Wolf. 35 Jahre gibt es das Musical nun in der immer gleichen Halle in Bochum – ein Weltrekord.

Ein Jahr und die Hälfte ist weg

Wer jetzt aber denkt, „einmal da, immer da“, der irrt. Jedes Jahr wird durchschnittlich die Hälfte der Schauspieler wieder ausgetauscht. Das habe mehrere Gründe. Eine Mitarbeiterin des Starlight Express, die durch das Warm-Up führte, erzählt: „Das hier ist einfach sehr, sehr anstrengend. Einige haben da nach einem Jahr genug.“

Andere sind allerdings viele Jahre mit Leidenschaft dabei. Und für wieder andere ist die Zeit beim Starlight Express auch ein Sprungbrett, um noch näher an die eigenen Karrierewünsche zu kommen. Für die Zuschauer wiederum soll das Theater „eine Möglichkeit bieten, sich fallen zu lassen und alles, was da draußen passiert, einmal hinter sich zu lassen“, sagt Jürgen Marx. Und um das zu erreichen, arbeiten jeden Tag viele Menschen, viele Stunden, an der perfekten Show.

Mehr Jobs