Polizeistreifen in NRW werden künftig geortet Schneller zu Einsätzen, die Leben retten können

Eine Karte zeigt die Standorte der Streifenwagen im Gebiet an.
Ein neues Ortungssystem für Polizeistreifen ist eingeführt worden. © Fabian Strauch/dpa/Archivbild
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Die Kollegen draußen sieht Polizist Tim Schumacher in der Leitstelle auf einen Blick: Es sind die schwarzen Quadrate auf dem Stadtplan von Mönchengladbach, den er auf einem großen Bildschirm vor sich hat. In den schwarzen Quadraten sind kleine, die die Farbe wechseln. Sie zeigen, wer gerade im Einsatz ist und wer nicht. Das war im Mönchengladbacher Polizeipräsidium nicht immer so. Wenn früher ein Einsatz per Notruf reinkam, musste Schumacher erst über Funk fragen: „Wer steht günstig?“

Heute weiß das der Beamte auf einen Blick und kann den bestplatzierten verfügbaren Streifenwagen direkt anfunken und zum Einsatzort lotsen. „Wir sparen jedes Mal wertvolle Zeit.“

Wissen, wo die Wagen sind: Ab kommendem Monat werden alle Streifenwagen in Nordrhein-Westfalen ständig per GPS-Satellitennavigation geortet. Dafür ist in den 47 Leitstellen der Polizeipräsidien und Kreispolizeibehörden in den vergangenen drei Jahren die Technik aufgerüstet und erprobt worden.

Reul: „bahnbrechende Entscheidung“

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) spricht am Dienstag in Mönchengladbach von einer „bahnbrechenden Entscheidung“: „Wir sind schneller, können schneller helfen und Kollegen schneller zur Hilfe eilen“, sagt er.

Anfängliche Befürchtungen, das System könnte zur Mitarbeiterkontrolle missbraucht werden, hätten sich zum Glück verflüchtigt. „Es ist mir doch egal, ob sich die Beamten mal ein Brötchen holen. Das muss sogar sein“, sagt Reul. Besonders in großen Landkreisen mit weiten Anfahrtswegen sei es sehr wichtig zu wissen, wo die Wagen sind.

In Mönchengladbach wurde das GPS-Monitoring als erstes eingeführt und erprobt. Im kommenden Monat sollen auch die restlichen 10 der 47 Leitstellen landesweit entsprechend ausgestattet sein. Dann können nicht nur sämtliche Streifenwagen, sondern auch die Beamten mit ihren Handfunkgeräten in den Leitstellen jederzeit geortet werden. Eine Million Euro hat die Pilotphase gekostet.

Snapchat für Polizisten

Schüler, die auf der Social-Media-App Snapchat schon seit Jahren sehen können, wo sich ihre Freunde gerade aufhalten, werden vielleicht verwundert sein, dass dies bei der Polizei erst jetzt möglich wird.

Es hätten aber nicht nur verschiedene technische Systeme „verheiratet“ werden müssen, es galt auch, eine Überlastung des Systems zu vermeiden, berichtet Thomas Volkmann, der das Projekt beim Landesamt für Polizeitechnik vorangetrieben hat. Deswegen wird die Position der Streifenwagen auch nur alle 20 Sekunden oder alle 100 Meter gesendet, die der Handfunkgeräte alle 90 Sekunden oder 100 Meter.

Bei einem Ernstfall sieht der Beamte in der Leitstelle sofort, welcher Streifenwagen einsatzbereit und am nächsten zum Einsatzort ist. Weiß heißt: „auf Streife“, also einsatzbereit. Blau: „auf Wache“, Grün: „auf der Anfahrt“ zum Einsatz und Rot „im Einsatz“. Schumacher kann auch Streifen in unbekannterem Gelände zum Ziel lotsen und merkt, wenn sie sich verfahren haben.

Ortung von Einsatzkräften: Datenschutz gewährleistet

Dass die Mönchengladbacher Polizei besonders aufgeschlossen war und den Zuschlag für die Pilotphase bekam, lag vielleicht an einem Vorfall vor ein paar Jahren: „Damals war eine Streife zufällig auf eine Massenschlägerei zweier Großfamilien gestoßen und zwischen die Fronten geraten“, berichtet der Leiter der Polizeiinspektion, Georg Lehnen. Der Funkkontakt brach nach einem Hilferuf ab, die Verstärkung wusste nicht, wo die Kollegen steckten. „Es hat gedauert, bis wir sie gefunden haben und es war am Ende ganz schön knapp.“

Zweites Szenario, ebenfalls wirklich passiert, beteuern die Beamten: Ein Zeuge beobachtet, wie ein teurer Sportwagen von Autodieben auf einen Transporter gehievt wird. Der Beamte in der Leitstelle dirigiert die Streifenwagen bei der Anfahrt zum Tatort so, dass den Dieben die Fluchtwege versperrt sind. „Die kamen aus dem Wohngebiet gar nicht mehr raus.“

Einem Menschen hat das GPS-Monitoring vermutlich sogar schon das Leben gerettet: „Eine Frau rief hier über Notruf an und sagte, ihr Ehemann habe einen Herzinfarkt. Wir haben in der Leitstelle gesehen, dass einer unserer Hundeführer zufällig in der Nähe war.“ Schon nach zwei Minuten konnte der mit der Wiederbelebung beginnen. „Der Mann hat überlebt.“

Und Datenschutzvorgaben sorgen dafür, dass der Innenminister die Lieblingsbäckerei der jeweiligen Streifenbeamten nie erfahren wird: „Die Daten werden nicht gespeichert“, versichert Volkmann.

dpa

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